Der Oktoberspaziergang


(the green mile)


Anfang November 2002 hielt die Erinnerung wiedermals Einzug.

Es geschah an einem der letzen Oktobertage. Jene Tage in denen draußen der Wind kalt pfeift und die letzten Sonnenstrahlen des goldenen Oktobers uns und auch die Herzen der Menschen erwärmen.

Der Fokus richtet sich auf die harmonisch ineinander verschlungenen Hände. Die beiden Hände spazieren an dem steilen kahlen Berg entlang. Die beiden Hände spazieren entlang an dem See, der die Ruhe in sich birgt, so wie ein Orakel die Gesamtheit an Weisheit gespeichert hat.


Die befestigte schmale Straße schlängelt sich schmal zwischen steilem Berg und grünlichem See. Zügig und harmonisch laufen die beiden Hände miteinander. Manchmal drückt die eine Hand die andere, als wolle sie prüfen, ob die andere noch da ist. Die beiden halten sich, weil sie zusammengehören.

Manchmal bleiben die Hände stehen und der leicht verschnupfte Mann schnäuzt sich die Nase. Gleich drauf sind die Hände wieder vereint und setzen, als dann, auch den Spaziergang weiter fort. Sanft und behutsam sind die beiden Hände umschlungen. Manchmal drückt die kleine zarte Frauenhand fast unmerklich etwas fester zu. Die Münder sprechen nichts, die Hände reden doch miteinander.

Wozu auch sollten sie die ach so friedliche Ruhe zwischen dem weiten Bergsee, mit der vom Winde verwehten Wasseroberflläche und dem herbstlichen Steilhang am Seehintergrund jäh gestört werden? - Man versteht sich ohne Worte!

Der Spaziergang geht weiter. Ein heranfahrendes PrivatAuto verlangsamt seine Fahrt durch die eigentlich gesperrte Straße; die Hände gehen nun hintereinader am Straßenrand, bleiben aber nicht stehen. Das Päarchen aus dem roten Auto grüsst freundlich. Die Gesichter der beiden verbunden Hände grüßen gemeinsam mit einem freundlichen Kopfnicken. Das anerkennende Kopfnicken beginnt beinah zeitgleich, als wäre es auf Kommando gestartet worden. Die halbhohen Schuhe trippeln mit der Präzisoin eines Schweizer Uhrwerks voran. Autoabgase ziehen an den Nasen der beiden vorrüber. Nachdem sich die Abgase verflüchtigt haben riecht man wieder das am Strassenrand heruntergefallene faulige Laub. Der Modergeruch ist die immerwährende Begleitung der beiden,- selten unterbrochen vom kalten Seewind.

Ein Rentner mit Fahrrad, kreuzt den Weg. Er grüßt die beiden mit einer winkenden Geste. Die beiden Lächeln einvernehmlich zurück, ihre beiden freien Arme schweben zum Gruß gen Himmel. Warme Sonne blinzelt in ihren glücklichen Augen. Der Weg führt die lange Strecke weiter. Die Gegenwart wird für Sekundenbruchteile zur Ewigkeit. Die Ewigkeit dauert für den Moment des Spaziergangs an, - der pure Einklang mit der Natur.
Waldweg, uneben, löst glatten Straßenbelag ab, der nun mit Herbstlaub bedeckte Waldboden führt näher an den See heran.

Plötzlich bleibt der Mann wie versteinert stehen, schweigt über das Unfassbare, - ist nicht in der Lage Worte zu finden. Sie schaut ihn erstaunt und vorwurfsvoll an: "Wie kannst du nur so abrupt hier stoppen und die friedvolle Ruhe der Harmonie unterbrechen"?!
Das steht in ihrem Gesicht, nebst der überfallartigen Plötzlichkeit.
Der Mann sieht immer noch wortlos zu Boden. Die Frau sieht zu Boden – wortlos. Bedächtig erforschend bekundigt der Mann die naheliegende Umgebung. Die Hände halten stets einander fest. Ringsumher ist alles normal herbstlich, so wie es sich für Herbst gehört, nichts Außergewöhnliches.
Detektivisch forschend schaut er sich um. Vergebens. Alles normal.
Frieden, Ruhe, Idylle, Harmonie und er, der im Laub vor den beiden liegende Schneeball. - Keiner weiss um den Ursprung des einsamen kleinen allein gelassenen Schneeballs. - Wozu auch.

by birdi        13. November 2002        (zeitlos)                            Nach einer wahren Begebenheit